Sonntag, 19. August 2012

Wie kommt das Salz ins Meer [Rezension]

12-Bücher-Sub-Abbau-Challenge #1


"Wie kommt das Salz ins Meer?"- Einer jener Titel, der immer wieder im Zusammenhang mit Klassikern fällt und den ich daher schon sehr oft gehört hatte. Als ich dieses Buch dann vor zwei Jahren auf einem Büchertisch in der Uni entdeckte, fasste ich wohl den Plan es unbedingt irgendwann lesen zu wollen. Es hätte jedoch noch lange in den dunkelsten, unangetastetsten Regalen des Friedhofs gewartet, wäre es nicht auf der Liste der Challenge gelandet. Da es auch dort zu den Büchern gehört, vor denen ich mich am meisten drückte habe ich jetzt als erstes, zu lesendes Werk gewählt.

Inhalt:


Erzählt wird das Leben einer namenlosen, vermutlich aber relativ jungen Protagonistin, die aufgrund ihrer Unentschlossenheit zwar noch beginnt zu studieren, jedoch keinen Studiengang abschließt und schließlich stattdessen heiratet. Sie wird Frau und Hausfrau von Rolf, ihrer Jugendliebe, allerdings mehr auf Drängen ihrer Eltern hin als aus eigenem Wunsch. 

In ihrer neuen Rolle fühlt sie sich daraufhin nicht wohler als zuvor, ihr Zustand verschlechtert sich stattdessen sogar kontinuierlich. Sie vollzieht die ihr aufgetragenen Aufgaben halbherzig, erscheint antriebslos und beginnt schließlich auch ganz offen mit Selbstmordgedanken zu spielen.

Mistys Meinung:


Was ich bei diesem Buch besonders positiv hervorheben möchte ist seine realistische Darstellung, besonders sprachlich wirkt es ausgesprochen natürlich. Diese ist einfach gehalten und harmoniert gerade deshalb ausgesprochen gut mit der Handlung. Die Dialoge werden nicht durch Ausrufezeichen oder sonstige Formatierungen vom restlichen Text abgehoben, was zwar einerseits viel Konzentration erfordert um sie als solche wahrzunehmen, andererseits bekommt aber auch dadurch das Gefühl, dass sie sich unbedeutend in das Geschehen einordnen. Sie stellen daher also nicht, wie in sovielen anderen Werken eine dramatische, großartig überdachte Ausführung einer Figur dar. Ich habe wirklich selten so authentische schriftliche Dialoge gefunden.

Auch inhaltlich möchte ich die glaubhafte Darstellung des Geschehens hervorheben. Die Protagonistin wirkt in ihrem Alltagstrott und der Unzufriedenheit sehr echt und gerade ihren vielen, mitunter zynischen Beschreibungen aller täglichen Nichtigkeiten öffnet sie auch dem Leser die Augen für ihre Situation.

Trotzden habe ich mich lange davor gedrückt dieses Buch zu lesen und würde mich wieder davor drücken ein weiteres Buch der Autorin zu lesen. Allerdings liegt das nicht daran, dass glaube bzw. glaubte es sei schlecht. Es ist auch keineswegs schlecht, ich würde es sogar als ein ziemlich gutes Buch bezeichnen, allein mir geht es beim Lesen schlecht. Wie jeder andere Leser fiebere ich mit den Protagonisten, leide mit vielen und identifiziere mich sogar mit einigen. Dieses Buch gehört allerdings zu jenen, wo ich nicht dabei bleibe, sondern nach einigen Kapiteln ganz die deprimierende Gefühlswelt der Figur ebenso wie ihre aussichtslose Sicht auf die Welt übernehme. Möglicherweise war dies die Intention der Autorin, vielleicht wollte sie lediglich ihren persönlichen Kummer im Schreiben verarbeiten (was ich angesichts ihrer Biographie für wahrscheinlich halte) oder sie hat überhaupt keine Ziele verfolgt - Fakt für mich ist aber, dass ihr Werk zu denen gehört, die ich nach dem Lesen zuklappe und mich dann bei dem Gedanken erwische "Ich werde genauso enden...". So gut kann es mir mit der Welt gar nicht gehen, dass ich dieses Erlebnis möglichst oft mit Lektüre heraufbeschwören möchte. 

Fazit:


Dieses Werk wurde zurecht zu einem literarischen Bestseller - allerdings würde ich empfehlen vor der Lektüre noch einmal gehörig die persönliche, psychische Stabilität zu überprüfen und bei Anfälligkeit für das Übernehmen deprimierender Gedanken aus Büchern das Lesen doch eher zu unterlassen. Für jene die Mitgutsch, Jelinek und Bachmann aber anstelle der Morgenzeitung konsumieren bietet es sicher einen ebenso guten Tagesstart.

Leseprobe:


"Rolf fragt, ob ich vielleicht meine Tage habe. Nein, Tage habe ich schon lange nicht mehr. Bist du schwanger? Ich bin gar nichts. Ich bin nur ich, und du hast mich gewollt, und jetzt hast du mich eben und siehst, was du hast, und wenn du es merkst, dann bin ich dir wieder nicht recht. Ich wollte eine normale Frau haben, sagt Rolf. Warum stellt er sich nicht eine Wirtschafterin an? Warum leistet dieser Automat sich keine Hure? Weiß er, wieviel er mir schuldig wäre, wenn ich eine Hure wäre? Rolf sagt, wenn ich eine wäre, müßte ich viel dazulernen. Was, zum Beispiel? Parieren, zum Beispiel."*

*Brigitte Schwaiger: Wie kommt das Salz ins Meer. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1979. S.96

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Titel: Wie kommt das Salz ins Meer
Autor: Brigitte Schwaiger
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 120 Seiten

1 Kommentar:

  1. Danke für dein liebes Kommentar! Und du hast doch sehr gute konstruktive Kritik gegeben, mit dem Foto des Wolfes z.B., besser geht es nicht ;)
    Ich bin auch total die Leseratte, ich werde mich auf jeden Fall durch deine Buchvorstellungen lesen und mich für das ein oder andere Buch entscheiden :)

    Liebe Grüße
    Carolin

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